Ostern in Birmingham

Was macht man über Ostern in Birmingham?

Zum Beispiel am Shoal Creek im Talladega Forest wandern, ein kleiner Fluß mit vielen Zuflüssen, einem Biber-Damm und vielen Tieren. Neben großen Heuschrecken, die aus dem trockenen Laub auffliegen gibt es viele Eidechsen, Schmetterlinge und Vögel. Ich habe zwei große Laufvögel aufgeschreckt, mindestens 70–80cm groß, vielleicht wilde Truthähne?

Oder dem Weinanbau in Alabama nachgehen: immerhin gibt’s in Alabama sogar eine »Weinstraße«, siehe hier mit Karte zum Alabama Wine Trail und Infos zu Wein und Alkohol in Alabama.

Am Karfreitag war ich gegen Abend bei Bryant Vineyard. Der »Hof« sieht von außen nicht nach Weingut aus und auch der Weinkeller mit Probierraum ist wenig einladend. Dan Bryant wollte nicht mit aufs Bild, deshalb ist er verwackelt.

Bryant ist ein winziger Familienbetrieb mit nur 60–80 hl Produktion im Jahr, der den häufigen Gesetzesänderungen über Weinerzeugung und Alkoholverkauf in Alabama trotzt. Die anderen Weinproduzenten in Alabama seien teils nur Weiterverarbeiter von Trauben oder Most, den sie zukaufen, sagt Dan. Bryants dagegen würden auschließlich Wein aus selbst geernteten Trauben vom Muscadine, der heimischen amerikanischen Wildrebe Vitis Rotundifolia machen, die Dan Bryant auch selbst weiterzüchtet.

In diesem Jahr gibt es bei Bryants nur noch Weiß (genannt: Blush), einen hellen und einen dunklen Rosé zu kaufen, weil zur Weinlese und -bereitung im letzten Jahr der Vater gestorben ist und deshalb keine Zeit war, um auch Rotwein zu machen. Die drei Weine sind mit 10 g, 20 g, und 50 g Restzucker halbtrocken bis süß, aber dank erkennbarem Säuregerüst noch ausgewogen. Dan läßt die Weine durchgären und setzt danach Zucker zu. Das Aroma ist ungewohnt, in Richtung Walderdbeere oder Bienenwachs mit oxidativen Tönen. Ich habe ihm sechs Flaschen abgekauft – die gut zehn Dollar pro Flasche (incl. Steuern) sehe ich eher als Kulturförderung, geschmacklich sind sie kaum gerechtfertigt.

Auf dem Bild der Rebanlage steht im Vordergrund ein dicker Rebstock, der nur etwa dreißig Jahre alt ist; die Muscadine-Rebe soll sehr schnell Holz bilden. Die Bewässerung wurde in den letzten fünf Jahren nicht gebraucht, sagt Dan Bryant. Der Boden sei schwer und speichere viel Wasser. Auch Spritzmittel braucht er nicht, da er nur Weiterzüchtungen der Wildrebe anbaut, die gegen Mehltau praktisch resistent seien. Ende August, Anfang September kann man zur Ernte kommen und auch Weintrauben zum Essen kaufen, außerdem Gemüse, das sie ebenfalls in Bio-Qualität anbauen.

Karfreitag lagen morgens Müllsäcke vor der Tür und abends waren sie weg, es wurde also Müll abgeholt. Auch war ich mit dem Auto in der Waschanlage (im Taladega Forest bin ich sehr staubige Schotterstrassen gefahren) – die hat genauso geöffnet wie alle Supermärkte. Am Ostermontag ist bei uns wieder Arbeitstag.

Am Ostersamstag war ich trommeln im Pavillon im Railroad Park  bei einem Drum Circle des Schlagzeugers John Scalici als Werbung für eine Hilfsorganisation für Krebs-Überlebende. Er lädt aber auch ungefähr einmal im Monat zum Community Drum Circle ein. Am Ostersamstagvormittag waren bei warmem Sommerwetter (28 °C) teils ganze Familien dort. Viele schienen sich zu kennen, aber John Scalici hat mich als neues Gesicht wahrgenommen und mir die Hand geschüttelt: »It’s good to have you. Hope to see you again.«

Beim Restaurant Real & Rosemary in Homewood kann man nicht nur draußen sitzen, sondern auch ganz ausgezeichnet essen – beispielsweise gegrillten Fisch mit angebratener Polenta und Bohnen-Mais-Gemüse (Succotash). Der von mir ausgewählte Sancerre hat zwar nicht überzeugt, aber dafür gibt’s zur Unterhaltung die Zeitschrift Garden & Gun (wer hier Tiere mit Gemüse ißt, kann sich gleich über deren Leben vor dem Teller informieren).

Bei Red Hills Brewing in Homewood hat mir abends ein Gast, der mit Frau und winzigem Hund dort war, nach ein paar Sätzen (»Ingenieur und Auto, da hab ich gleich an ›Deutscher‹ gedacht.«) ein Bier spendiert: »Du kannst ja dem nächsten auch ein Bier spendieren. Wir müssen die Gemeinschaft am Leben halten«.

Am Cahaba River südwestlich von Birmingham sollen im Mai die »Cahaba Lilien« blühen  , deshalb war ich Ostersonntag schon mal dort. Sie wachsen auf Felsstufen, die das flache Flußbett immer wieder durchziehen. Im Moment sieht man zwar noch keine Blüten aber der Fluß lädt jetzt schon ein zum Baden, Paddeln, Angeln oder »Kinder-Bunjee«. Das Wasser war schon fast 20 °C warm – bei 30 °C Lufttemperatur und sonnigem Wetter, trotzdem waren nur sehr wenige Besucher dort. Die sind allerdings alle mit dem Auto bis unmittelbar an den Fluß gefahren, um Ihre Grills, Gartenstühle, Getränkekisten, Hängematten oder Kanus maximal 5 m tragen zu müssen.