Birmingham, AL #19

Wegen Brummschädel am Mittwoch hatte ich den Eindruck eines nahenden Schnupfens. Als Gegenmittel habe ich bei Wallmart vierzig Tabletten á 200 mg Ibuprofen für sage und schreibe 0,96 $ (incl. MwSt.) gekauft. Nach Einnahme von fünf Tabletten innerhalb von 36 Stunden war der Brummschädel vorbei und ein Schnupfen vergessen. In diesem Einzelfall war die privatwirtschaftliche Gesundheitsversorgung für die sich Hr. Trump stark macht, tatsächlich sagenhaft kostengünstig.

Beim Baumarkt The Home Depot gibt’s neben LED-Lampen (Ersatz in meinem Badezimmer) auch schon mehr als mannshohe Halloween-Deko zu kaufen.

Die Phrasen der Woche
  • day late and a dollar short – (too little, too late) verpaßt, zu spät, einen Schritt hinterher, genügt hinten und vorne nicht, kurz vorm Topf in die Hose
  • close but no cigar – knapp daneben ist auch vorbei

Am Sonntag gab’s einen Didgeridoo-Workshop im Golden Temple Cafe, einem Hippie-Laden mit Veggie-Restaurant, den ich schon mal beschrieben habe. Geleitet wurde der Workshop von dem kalifornischen Didgeridoo-Bauer William Mac Gavin, der kürzlich nach Alabama umgezogen ist und den ich im Juli bei Art on the Rocks im Birmingham Museum of Arts gehört habe. Besonders kostengünstig: die selbstgebastelten PVC-Didgeridoos aus dem Baumarkt, da gehe ich demnächst mal auf die Suche.

Great Smoky Mountains

Donnerstag und Freitag hatte ich zwei Tage Urlaub und bin zum zweiten Mal in die Great Smoky Mountains aufgebrochen (siehe hier). Vorher habe ich am Donnerstag noch den Uhrmacher The Watch Shop in Birmingham besucht, weil der so merkwürdige Öffnungszeiten hat (Mo–Do 1100–1400), daß man wirklich Urlaub nehmen muß, um ihn zu besuchen. Leider konnte ich ihn nur durch den Zaun sprechen, er scheint nicht gerne Kundschaft in seinen »Laden« zu lassen. Kein besonders zugewandter Geschäftsmann.

Auf dem Weg nach Cherokee, NC, wo ich ein Hotel gebucht hatte, bin ich zum späten Lunch im Wildflower Cafe in Mentone, AL, eingekehrt, das im Deutschlandfunk Sonntagsspaziergang vom 17. September kommentiert wurde. Es gab den Brunch Sampler mit Spinache Quiche, Tomato Pie und Vanilla Crepes. Meine Bedienung Cayce aus Blue Ridge, GA, konnte sich erinnern, daß ihre Kollegin von den zwei deutschen Radiojournalisten erzählt habe. Dabei fiel mir etwas auf, das in USA wirklich Spaß macht: mit den Leuten sprechen. Außer dem skurrilen Interieur gab’s auch noch etwas für die Ohren: Ein alter Knabe spielte an verschiedenen Tischen Klassiker auf der völlig abgewetzten Gitarre, die links im Bild zu sehen ist.

Kurz vor meinem Ziel Cherokee konnte ich am Ocoee Lake östlich von Cleveland, TN, schon die herbstlich belaubten Bäume direkt im See fotografieren. Mein Hotel, das Roadway Inn Cherokee, ist mit 140 Dollars pro Nacht natürlich völlig überbezahlt, aber alle billigeren Unterkünfte waren entweder ausgebucht oder sahen im Internet noch schlimmer aus. Immerhin gab es ein brauchbares Bett, ein funktionierendes Bad und ein einigermaßen akzeptables Frühstück. Vom Warrior Motel beispielsweise stand nur noch das malerische Werbe-»Monument« – der Rest war zugewuchert und geschlossen.

In den Smokies hängen morgens die Wolken und oberhalb von etwa 1500 Metern kommt man in die Sonne. Das bietet vormittags tolle Herbststimmungen. Um halb zehn (Eastern Time, eine Stunde früher als Birmingham) bekommt man freitags auch noch einen Parkplatz am beliebten Clingman’s Dome (6643 ft = 2025 m)  und samstags an der beliebten Newfound Gap. Nach Mittag dagegen stehen die Leute mit ihren Autos Schlange und warten darauf, daß jemand wegfährt.

Am Freitag bin ich zum Andrews Bald gelaufen, einem Grasbuckel unterhalb des Clingman’s Dome, der durch zunehmenden Waldbestand jedoch nur noch wenig Aussicht bietet. Von anderen Wanderern wurde erzählt, daß der Gipfel vom Wald zurückerobert wird, seit es, ähnlich wie im Schwarzwald, keine Weidewirtschaft mehr gibt. Der häßliche Aussichtsturm auf dem Clingman’s Dome selbst ist geschlossen und der Gipfel bietet wegen des hohen Waldes ebenfalls keinen Ausblick. Danach habe ich noch die Chimney Tops besucht, doch diese spektakulären Felsnasen sind zur Zeit gesperrt.

Am Samstag habe ich den ziemlich steilen und felsigen Weg zu Charlie’s Bunion genommen. Das ist eine recht ausgesetzte Felsklippe auf dem Appalachian Trail etwa sechseinhalb Kilometer östlich vom Clingman’s Dome. Dort waren auch wirklich viele Wanderer unterwegs. Die Wanderetikette ist: anderen Platz zu machen, indem man zur Seite tritt – sehr schön. Gleichzeitig sind die Amis ebenso schwerhörig wie die typischen Wandergruppen in Europa.

Wander-Philosophie

Freitagabend habe ich die lokale Hausbrauerei Innovation Brewing in Sylva ausprobiert und dort unter anderem mit einem Knaben namens Russel gesprochen. Er hat Philosophie und Deutsch studiert und wollte gerne Hegel im Original lesen. Zur Konversation in deutscher Sprache konnte er sich allerdings nicht durchringen. Sein Beispiel war, daß das deutsche Wort Geist im Englischen sowohl spirit als auch mind bedeuten könne. Außerdem hat er mir Panthertown zum Wandern empfohlen. Ich habe eingewandt, daß mir die öffentlichen State Parks lieber sind, weil ich in Anbetracht der vielen Schußwaffen nicht gerne auf Privatgelände herumlaufe. Er meinte jedoch, daß normalerweise keiner auf Wanderer schießen würde, bestenfalls würde man mit vorgehaltener Waffe zum Verlassen des Geländes aufgefordert – sehr beruhigend.

In Bryson City beim Billig-Supermarkt Dollar General war schon reichlich Weihnachtsdeko aufgebaut. Und am Ortsausgang konnte ich die »Grüne Hölle« mit zwei überwucherten, gelben Schulbussen fotografieren. Die Rankpflanze Kudzu (Pueraria montana) wurde in den dreißiger Jahren als Futtermittel und zur Bekämpfung der Bodenerosion aus China eingeführt. Sie hat sich als ungeeignet erwiesen, wuchert aber überaus agressiv und heißt inzwischen Die Ranke, die den Süden (der USA) gefressen hat. Auf dem Foto kann man sehen, wie sie gerade zwei Schulbusse frühstückt.

Schwarzbären

In Cherokee gibt’s angemalte Bären, wie beispielsweise beim Veteranen-Denkmal. Am Sonntag konnte ich auf meinem Weg zurück vom Shuckstack Firetower oberhalb des Fontana-Staudamms aber tatsächlich drei echte Schwarzbären sehen. Zuerst einen einzelnen, den ich etwa dreißig Meter entfernt im Wald aufgeschreckt habe und dann noch zwei, die unterhalb des Wanderwegs in ungefähr dreißig Metern Entfernung zu fressen schienen. Der Größe nach würde ich auf Mutter und Kind tippen. Als sie mich bemerkten, ist der Nachwuchs auf den Baum geflüchtet. Nach ein paar Fotos haben sie mich aber noch immer sehr aufmerksam angeschaut. Deshalb habe ich sie lieber angebrüllt (typischer Ratschlag für den Umgang mit Schwarzbären) und daraufhin flüchteten sie bergab.

Der Rückweg vom Fontana-Stausee über die North Carolina 28 und den US-Highway 129 nach Westen zur Interstate 75 entpuppte sich als beliebte Motorrad-Strecke. In jeder zweiten Kurve steht ein Fotograf um die Schräglage abzulichten (etwas übertrieben bei der Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 mph, also 50 km/h – trotzdem: siehe hier und hier). Überhaupt habe ich in den Smokies auch zum bisher ersten Mal wirklich viele Motorradfahrer mit Sportmotorrädern und Lederkombi gesehen, die Kurven gefahren sind; in Alabama sieht man nur dicke Harleys mit dicken Fahrern im T-Shirt, die auf der Autobahn geradeaus fahren.